Restaurant meiner Träume

Restaurantvisionär Kurt Zdesar, der Gründer der Londoner Restaurant­ketten Ping Pong und Chotto Matte, spricht über den perfekten Platz zum Essen.

In Moskau gibt es ein sehr spezielles Restaurant. Es befindet sich einem riesigen Gebäude aus dem 18. Jahr­hundert mit eher wienerischem als sowjetischem Charme. Die Kellner des Restaurants tragen seidene Gehröcke mit Schnallen­schuhen und Perücken – Diener aus Zeiten des Imperialismus. Ich hatte mich auf gebratenen Fasan und Sachertorte gefreut. Stattdessen servierte mir ein ‚Diener‘ Hähnchen süss-sauer und einen Teller Wan-Tan-Suppe. Ich hasste jeden Bissen.

Ich bin ein Romantiker. Ich liebe Tradition. Wenn ich in eine Trattoria gehe, will ich glauben, dass Mama
und Papa hinten in der Küche Rigatoni zubereiten. Wie bei den meisten Menschen beginnt auch mein Esserlebnis an der Eingangstür. Meine Augen und Emotionen müssen vor meinem Bauch befriedigt werden. In meinem Traum­restaurant ist das Design mehr als nur Dekoration. Von den Möbeln bis zur Beleuchtung muss mich alles kulinarisch einstimmen, indem der wichtigste Bestandteil berücksichtigt und widergespiegelt wird: das Essen.

Intelligentes Design löst starke Gefühle über das aus, was wir essen. Als ich zum Beispiel meine moderne Dim Sum-Restaurantkette Ping Pong gründete, wollte ich dieses Gefühl des Beisammenseins mit der Familie und mit Freunden vermitteln, das man in traditionellen chinesischen Speisehäusern findet. Ausserdem wollte ich Klischees vermeiden. Flocktapete. Drachen. Aquarien.

So begannen MACH und ich einen Prozess, der als ‚architektonischer Impressionismus‘ bezeichnet werden könnte. Wir verwendeten Materialien, Graphiken, Formen und Farben des modernen China, um einen zeitgenössischen Eindruck des Landes und seiner Dim Sum-Kultur zu erzeugen. Die handgefertigten Rundtische aus dunklem Schweizer Eichenholz sind beispielsweise von der traditionellen chinesischen Holzarbeit inspiriert, doch würden sie auch auf der Mailänder Möbelmesse nicht deplatziert wirken. Der geschwungene Innenbereich erzeugt die für das Dim Sum so typische Atmosphäre des gemütlichen Beisammenseins. Die geschnitzten Wandschirme aus Holz erinnern an das Shanghai des 19. Jahrhunderts und haben dennoch einen kosmopolitischen Charakter im Stil des 21. Jahrhunderts. Wer das Restaurant betritt, soll an China denken, aber etwas Aufregendes und Neues erleben.

Das gesamte Designkonzept ist der Trommelwirbel
für das Hauptereignis: eine neue Art von Dim Sum. Unsere Ping Pong-Restaurants sind von mittags bis spät in die Nacht für Menschen geöffnet, die kein gewöhnliches Leben führen. Und damit sind wir schon beim letzten Bestandteil
in meinem Traumrestaurant: dem Menschen.

Ein grossartiges Restaurant muss das Essverhalten der Menschen widerspiegeln und sogar beeinflussen. Der Revolution beim Kochen zu Hause – dem Grundpfeiler unseres Esserlebnisses – muss Rechnung getragen werden. Frühere Generationen waren mit ihrer Haushalts­kochkunst vollkommen zufrieden. Heutzutage aber will jeder privat ein Meisterkoch sein. Banker besuchen Sushi-Kochkurse. Reisende jagen weltweit den exotischsten Kochkünsten hinterher. Haushaltsküchen ähneln professionellen Kochsystemen. Was den Amateurgourmets aber fehlt, ist Zeit – und genau hier komme ich ins Spiel.

“Von den Möbeln bis zur Beleuchtung muss mich alles kulinarisch einstimmen, indem der wichtigste Bestandteil berücksichtigt und widergespiegelt wird: das Essen.”

Indem wir Essen mit der gleichen Leidenschaft, Inspiration und Kunstfertigkeit wie zu Hause zubereiten und es in einer ansprechenden Atmosphäre servieren, können die Gäste in meinem Traumrestaurant mehr als nur einen schönen Abend geniessen. So bietet das Essen die Möglichkeit, Realität und Fantasie zu verbinden.