„Luxusgüter entwickeln sich (auf schöne Weise) so weiter, dass sie zu wirtschaftlich mageren Zeiten passen“, so Ernst Malmsten von Lara Bohinc, einem Londoner Juwelier.
Neulich las ich einen Blog, der mich zum Nachdenken über das Thema Luxus anregte. Der Blog befand sich auf der Website der Financial Times inmitten von düsteren Artikeln zur Weltwirtschaftskrise. Laut dem Blog werden sich in diesen von Sparsamkeit geprägten Zeiten die Umsätze des britischen Luxussektors bis 2017 voraussichtlich verdoppeln. Ja, verdoppeln.
Beim Lesen dieses Beitrags könnte man fast denken, dass in der Eurozone ein Boom herrscht und die Klunker auf den Straßen Londons nur so herumliegen. Je länger ich über diese Aussagen jedoch nachdachte, desto bewusster wurde mir, dass sich für diejenigen von uns, die im Luxusgeschäft tätig sind, etwas maßgeblich verändert hat. Während Luxusgüter nach wie vor beliebt sind, hat sich die Art des Luxus verändert und an die schwierigeren wirtschaftlichen Zeiten angepasst.
Bei Schmuck zum Beispiel interessieren sich unsere Kunden nicht für Karat oder das Preisschild. Für sie bedeutet Luxus „Einzigartigkeit“. Sie wollen ein interessantes Design, neue Materialien und innovative Verwendungsmöglichkeiten von Edelmetallen und Edelsteinen. Schmuckstücke in limitierter Auflage sind beliebter denn je und immer mehr Menschen interessieren sich für einzigartige Kreationen, die speziell für sie gefertigt wurden.
Die Nachfrage nach Einzigartigkeit ist besonders unter unabhängigen, wohlhabenden, berufstätigen Frauen ausgeprägt. Diese Gruppe sucht nach Luxusgütern, die ihre eigene Individualität zum Ausdruck bringen. Eine Ausnahme bilden Schweizerinnen, für die Zurückhaltung und Bescheidenheit wichtig sind. Sie wählen Schmuck, der zum höflichen nationalen Gemüt passen muss. Leider ist es uns nicht gelungen, das Interesse für den alpinen Stil zu wecken. Noch nicht.
Obwohl einzigartige Designs definitiv kennzeichnend für den „neuen Luxus“ sind, sind die Kundinnen nicht bereit, Geld für Schmuck auszugeben, der vielleicht in ein oder zwei Jahren wieder aus der Mode kommt. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit sind die Kundinnen an zeitlosen Stücken interessiert, die sie jahrzehntelang tragen und vielleicht sogar an ihre Töchter weitergeben können. Die Zeiten „heute in, morgen out“ sind passé. Moderner Luxus ist ein langfristiges Gut.
Doch nicht nur der Designbereich hat sich verändert, weil der Gürtel weltweit enger geschnallt werden muss. Heute sind auch andere Materialien gefragt. Gold, ein jahrhundertelanger Ausdruck für Wohlstand, wird durch Silber ersetzt, einem weniger auffälligen und preiswerteren aber gleichermaßen attraktiven Edelmetall. Und obwohl es immer Menschen geben wird, die Diamanten unwiderstehlich finden, arbeiten wir bei der Kreation außergewöhnlicherer Stücke für unsere Kundinnen mit Edelsteinen wie Rubinen und Saphiren. Warum sich mit hellem Weiß abfinden, wenn es ein ganzes Spektrum an Edelsteinen zum Ausdruck der eigenen Persönlichkeit gibt?
Ich frage mich, ob unsere Kundinnen die gleiche Experimentierfreudigkeit an den Tag legen wie unsere Designer. Wird man uns eines Tages bitten, aus dem Smaragdarmband der letzten Saison Ohrringe oder eine Brosche anzufertigen? Recycling spielt heute in allen Bereichen des modernen Lebens eine Rolle. Vielleicht wird es also bald in der Vogue en vogue.
Seltsamerweise denke ich, dass die von Sparsamkeit geprägten Zeiten zu einer goldenen Zeit für den Luxus werden – wenngleich ohne Gold. Durch die Nachfrage nach weniger extravagantem Schmuck können Designer nicht einfach mit viel Gold oder großen Diamanten beeindrucken. Juweliere müssen kreativer, mutiger und erfinderischer sein als jemals zuvor. Heute ist das ultimative Zeichen für Luxus eine 24-Karat-Kreativität.